„Wir haben ein leeres Blatt Papier vor uns.“
Es dauerte nicht lange, bis Fabian Leendertz diesen einen bemerkenswerten Baum entdeckte. Er stand in der Nähe eines Flussufers in Guinea, ein knorriger Stamm, und Leendertz dachte: Das könnte genau der Ort sein, an dem die tödliche Ebola-Epidemie von 2014 und 2015 in Afrika begann. Es war Detektivarbeit für Leendertz und sein Team, aber der Tierarzt hat langjährige Erfahrung: „Die lokalen Behörden konnten uns versichern, dass die Epidemie im Dorf Meliandou begann. Dort sind zuerst die Kinder gestorben“, sagt Fabian Leendertz. Er machte sich auf den Weg in das Dorf. „Die kleinen Kinder gingen meist mit ihren Müttern zum Waschen an einen kleinen Fluss, in der Nähe des Baumes.“ Ein Baum, der sich ideal für Kinderspiele eignete, mit einem großen hohlen Stamm und einem Loch, aus dem man herausschauen konnte. Die Bewohner erzählten den Forschern, dass dort einst eine Kolonie von Fledermäusen gelebt hatte.
„Wir nahmen DNA-Proben und stellten fest, dass es sich um Bulldog-Fledermäuse gehandelt haben muss – eine Art, die schon früher im Verdacht stand, Ebola-Viren zu übertragen.“
Inzwischen ist der 48-jährige Veterinärmediziner und Mikrobiologe nach Deutschland zurückgekehrt und baut nun als Gründungsdirektor das Helmholtz-Institut für One Health in Greifswald auf. Die neue Aufgabe scheint wie geschaffen für den Wissenschaftler, der zuletzt die Arbeitsgruppe für Epidemiologie hochpathogener Mikroorganismen am Robert-Koch-Institut in Berlin leitete.
„Unser Ansatz ist es, die Prinzipien der Erregerübertragung zu untersuchen“, sagt Leendertz: „Was führt dazu, dass sie vom Tier auf den Menschen oder vom Menschen auf das Tier überspringen? Und wie können wir auf Basis dieses Wissens dazu beitragen, Mensch, Tier und auch die Umwelt zu schützen?“ Das neue Institut sei eine einmalige Chance, sagt er.
„Wir haben ein weißes Blatt Papier vor uns liegen, auf dem nur ‚One Health‘ steht. Jetzt liegt es an uns, unser Zeichen zu setzen.“
Man kann seine Aufregung hören, wenn er über diesen Neuanfang spricht. Das erste Mal, dass er die Verbindung zwischen der Gesundheit von Mensch und Tier mit eigenen Augen gesehen hat, war vor etwa zwei Jahrzehnten. Damals befand er sich auf einer Exkursion im Dschungel der Elfenbeinküste. Das Team des berühmten Schweizer Verhaltensforschers Christophe Boesch beobachtete seit Jahrzehnten eine Gruppe von Menschenaffen in einem Nationalpark. Leendertz schloss sich ihnen als junger Tierarzt an und schwärmt noch heute von dem Jahr, das er im Dschungel verbrachte, um die Tiere zu beobachten. „Es ist wie eine Seifenoper im Fernsehen“, sagt er, „auch die Affen haben Familienbande, sie pflegen Animositäten und Freundschaften, es ist immer etwas los.“ Bis der Tag kam, an dem aus der Seifenoper ein Drama wurde. Fabian Leendertz war am frühen Morgen noch im Forscherlager, als ein Kollege meldete, er habe einen kleinen Schimpansen tot im Wald gefunden.
„Ich habe gleich vor Ort eine Autopsie durchgeführt, es waren keine äußeren Einflüsse sichtbar“, sagt Leendertz.
sagt Leendertz. Er fühlte sich unwohl und vermutete, dass etwas nicht stimmte. „Am nächsten Tag kamen Forscher aus dem Dschungel zu mir gerannt und schrien: ‚Das Alphamännchen ist tot!'“. Vor ihren Augen war der Schimpanse tot umgefallen. „Mir wurde klar, dass es sich um eine Infektionskrankheit handeln musste“, sagt Leendertz. Später stellte sich heraus, dass es sich um eine neue Variante von Milzbrand handelte. Woher dieser Bazillus kam, ist bis heute unklar. Anders bei den großen Ausbrüchen von Atemwegserkrankungen bei den Tieren, wo Leendertz die Quelle finden konnte: den Menschen. Damals erkannte Fabian Leendertz, wie wichtig das Gebiet der One Health ist.
Über Fabian Leendertz:
Die Reise des Forschers in den Dschungel begann im Zoo in Krefeld. Fabian Leendertz wuchs in Nordrhein-Westfalen auf, der Zoodirektor war ein Freund der Familie. Er verbrachte tagelang mit den Kindern des Zoodirektors zwischen den Gehegen und lernte eine ganz andere Tierwelt kennen als die, die er mit seiner Großmutter im Wald erkundet hatte. „Sie war Jägerin, eine der ersten Frauen mit Jagdschein damals“, sagt Leendertz, „und sie hat mich auf die Pirsch durch den Wald mitgenommen und mir viel über die Natur beigebracht.“ Viel später, nach dem Abitur, studierte er Biologie, was er aber schnell wieder aufgab – es war ihm zu viel Theorie, er wollte näher an die Tiere heran.
Also begann er ein Studium der Veterinärmedizin, zunächst in Budapest, dann in Berlin. „Ich habe mich von Anfang an für Wildtiere interessiert“, sagt er rückblickend und lächelt: „Aber während des Studiums musste ich in den sauren Apfel beißen und mich durch Dackelkrankheiten arbeiten.“ Doch während seine Kommilitonen auf Bauernhöfen und in Kleintierpraxen arbeiteten, ging Fabian Leendertz für ein Praktikum nach Burkina Faso und forschte über die Tsetsefliege.
Nach dem Ausbruch des Coronavirus sind sich nicht nur Insider der Gefahr von Zoonosen bewusst. Fabian Leendertz, der bereits an einer WHO-Mission zur Aufklärung des Ursprungs von COVID-19 teilgenommen hat, weiß, dass sein neues Institut von Anfang an im Rampenlicht stehen wird.
„Was können wir tun, um Menschen, Tiere und die Umwelt zu schützen?“
Von Kilian Kirchgeßner, Ausgabe 16/ November 2021/ Campus Magazin